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Wie die Katze zum Haustier wurde

Folge 1:

Hier entsteht eine Geschichte über die Domestikation der Katze. Folge für Folge machen wir die Geschichte unserem Netzpublikum zugänglich.

R.Roger Breton / Nancy J. Creek *



Es war einmal … ein Wolf

Um die Zähmung der Katze besser nachvollziehen zu können, drehen wir das Rad der Geschichte zurück. Die Ziege gilt als ältestes Haustier, und ihre Zähmung dürfte etwa vor 20000 Jahren vollzogen worden sein. Nicht viel später zähmte der Mensch den Wolf. Natürlich kennt man den exakten Mechanismus der Zähmung nicht mehr, aber das folgende Szenario ist möglich – ja, sogar wahrscheinlich. Auf der Jagd findet ein Mensch einen Wolfswelpen. Da er gerade nicht hungrig ist, nimmt er seine Beute mit nach Hause, um sie später zu essen. Lebendiges Essen verdirbt nicht ! Der Welpe, zu jung und unerfahren um Angst zu verspüren, tut, was Welpen so tun. Dies gefällt dem Mann und seiner Familie. So lassen sie den Welpen eine Weile länger am Leben.

Der Welpe wächst zu einem Wolf heran und ganz wie ein Wolf betrachtet er seine Menschen als sein Rudel. Er lernt sehr schnell, seinen Menschen bei der Jagd behilflich zu sein und apportiert die erlegte Beute seinem Anführer. Schon bald will jeder einen zahmen Wolf als Gehilfe bei der Jagd.

Aber der Wolf zeigte vielleicht noch weitere dem Menschen nützliche Eigenschaften. Eines Tages erscheint ein hungriges wildes Tier, vielleicht sogar ein anderer Wolf. Es streicht um die menschliche Behausung in der Hoffung auf ein schnelles Mahl. Der zahme Wolf vertreibt den Eindringling, da er instinktiv sein „Menschenrudel“ verteidigt. Bald will jeder einen zahmen Wolf als Beschützer für seine Kinder. Der Pakt ist besiegelt, der zahme Wolf ist nun ein Hund und für immer mit dem Menschen verbunden.

Es war einmal … eine Falbkatze

Die Zähmung der Katze war nicht so leicht zu bewerkstelligen. Die Katze ist kein Rudeltier und verfügt nicht über kooperative Instinkte wie der Wolf. Ausserdem ist sie im Gegensatz zum Hund ortsgebunden. So steht ihre Zähmung wahrscheinlich in engem Zusammenhang mit der Sesshaftwerdung der Menschen.

Die Katze wurde erst vor etwa 5000 Jahren gezähmt. Die Mechanismen einer Zähmung sind bemerkenswert einfach – und die Katze wurde gleich an mehreren Orten Afrikas und Südwestasiens im Laufe von Jahrtausenden domestiziert.

In Aegypten

Dies geschieht auch im Tal des Nils, dem heutigen Sudan; damals zu Oberägypten gehörend. Die Leute dieser Gegend geben das Nomadenleben ihrer Vorfahren auf; lernen, den Boden zu bearbeiten und verbinden sich zu Ackergemeinschaften. Da diese Kommunen sehr vom Vorhandensein des Korn abhängen, das nur ein- bis zweimal im Jahr geerntet werden kann, müssen sichere Aufbewahrungsorte für die Ernteerträge gefunden werden. Kleine Mengen Korn konnten die Menschen noch in Körben zu Hause aufbewahren. Jetzt bauen sie Kornspeicher. Diese ziehen Mäuse, Ratten und andere Nager an, die sich sehr schnell dem Menschen beziehungsweise seinem Korn anschliessen und so stets zu einer Gratismahlzeit kommen. Durch ihre schnelle Vermehrung herrscht rasch ein Ueberfluss an Nagern. Das zieht die dortige Urkatze an, die afrikanische Falbkatze, die auf diese Weise ebenfalls zu einer leichten Mahlzeit kommt.

Es brauchte nicht viel Beobachtungsgabe um zu bemerken, dass die Nager das Korn fressen, was unerwünscht ist; die Katzen hingegen die Nager, was erwünscht ist. Die Menschen beginnen, die Katze in ihre Nähe zu locken, indem sie ihnen Fischköpfe und andere Essensreste überlassen, was die Katzen sehr schätzen. So finden die Katzen eine sichere Nahrungsquelle (Nager und Fischköpfe), eine zuvorkommende Behandlung durch den Menschen (niemand misshandelte oder verjagte eine Katze, da ihr Fehlen die Nagerpopulation zu einer Plage anwachsen liess), und sie profitieren ausserdem vom Fernbleiben ihrer Feinde (viele katzenfressende Tiere scheuten die Nähe von Menschen). Die Katzen erobern sich ihren festen Platz unter der Obhut der Leute.

Mit ihrem stillen Wesen gewöhnt sich die afrikanische Katze allmählich an den Menschen. Sie erlaubt es ihm, sich ihr zu nähern. Dann lässt sie sich auch streicheln und vielleicht sogar auf dem Schoss halten. Als leidenschaftliches Tier belohnt die Katze alle diese Liebkosungen mit Liebe und Zuneigung. Sie schmeigt sich an den Menschen an und schmeichelt ihm (machen das nicht selbst Hunde?), und ausserdem schnurrt sie. Schnurren ist ein einzigartiges und überwältigendes Phänomen, sowohl in seinem Entstehen wie auch in seiner Auswirkung. Ein Farmer kann den ganzen Tag auf den Feldern arbeiten und todmüde nach Hause kommen – die Katze wird ihm auf den Schoss springen, sich ihm anschmiegen und schnurren.

Die Katze schläft den Tag über in kurzen Abschnitten, und nicht an einem grösseren Stück wie der Mensch oder der Hund. Sie wird sehr schnell wach und ist sofort bereit, ihrer Arbeit als Mäusejägerin jederzeit nachzukommen. In der Nacht, wenn die Mäuse wach sind und die Hunde schlafen, ist sie besonders aufmerksam. Sie hilft oft dem Familienhund, indem sie ihn zuerst alarmiert, wenn sie ein verdächtiges Geräusch während der Nacht vernimmt und alle andern Hausgenossen schlafen.

Die Katze sieht und hört viel besser als der Hund, vor allem in der Dunkelheit. Ausserdem verträgt sie sich gut mit ihrem Hunde-Genossen und kooperiert mit ihm. Im Gegensatz zum Hund ist die Katze sauber. Sie vergräbt ihre Hinterlassenschaften fern von ihrem Revier, um keine Verfolger oder andere Katzen anzulocken.

Alle diese wünschenswerten Eigenschaften und Begleiterscheinungen tragen dazu bei, dass die Katze als Gehilfin und Gefährtin ein dauerhaftes Mitglied der menschlichen Gesellschaft wird. Die Katze hat sich e abliert.


Folge 2:

Ein Gott kommt selten allein

Vor langer Zeit verliessen die alten Ägypter ihre Dörfer und gründeten die ersten Städte. Ihr einfacher, naturbezogener Pantheismus, angeführt von einem Dorfschamanen, entwickelte sich zu einem hochkomplexen System von Göttern und Halbgöttern mit vielen Ritualen, die durch eine eigens herangebildete Priesterklasse sorgfältig überwacht wurden. Die Herrscherschicht sicherte sich ab, indem sie sich, wie so üblich, in ihrem Recht zu regieren auf Gott berief. Der König wurde so zum Pharao, dem Gott-König. Weil der Pharao einer von ihnen war, wurde dieses Konzept von den Priestern sogar noch gefördert – Ägypten wurde zu einer streng überwachten Theokratie.


Die Katze wird unentbehrlich

Der Bedarf an Lebensmitteln ist für eine Stadt viel höher als für ein Dorf. Daher wird Korn als Steuer erhoben, und königliche Kornspeicher werden gebaut. Diese Kornspeicher sind einfache, fensterlose Schuppen und nicht sicher gegen das Eindringen von Mäusen und Ratten. Mit all dem Korn in rauhen Mengen auf kleinstem Raum haben die Nager ein Tummelfeld und vermehren sich so stark, wie Kaninchen nur davon träumen können. Sie werden zu einer solchen Plage, dass der Pharao zu ihrer Bekämpfung alle Katzen des Landes braucht, und sie daher zu seinem Eigentum erklärt.

Aber alle Katzen des Landes zu sich zu nehmen, speziell von ihren Besitzern geliebte, stellt selbst für einen Pharao ein Problem dar. Als Gott und mit einem göttlichen Willen versehen, löst er das Problem, indem er alle Katzen in ihren Heimen belässt aber zu Halbgöttern erhebt: alle Katzen Ägyptens, alle auf einen Schlag! Plötzlich springen zehntausende kleine, wilde und pelzige Halbgötter herum. Die Katzen lassen sich von dieser neuen Laune des Menschen nicht beirren.

Jetzt besitzt der Pharao alle Katzen des Landes, ohne sie zu sich nehmen zu müssen, denn nur er als Gott darf einen Halbgott sein Eigen nennen -ein Normalsterblicher könnte unmöglich Besitzer eines Halbgottes sein.

Aber der Mensch kann für die Katze Futter und ein Dach über dem Kopf bereitstellen. So sorgen die Menschen weiterhin für ihre Katzen, bringen sie jedoch jede Nacht zu den zugeordneten Kornspeichern, damit die Katzen ihrer Arbeit als Mäusefänger nachgehen können. Am morgen holen sie dann ihre Lieblinge wieder ab. Als Kompensation für diese Leistung erhalten sie eine Steuervergünstigung.


3.Folge

Die Katze als Halbgott

Die goldenen Jahre

Jetzt sind alle Katzen Eigentum des göttlichen Pharaos, und eine Katze zu töten oder zu verletzen, sei es auch unabsichtlich, wird mit dem Tode bestraft. Fängt ein Haus Feuer, werden zu allererst die Katzen gerettet; erst dann die Leute, wenn die Zeit noch reicht. Denn schliesslich handelt es sich ja nur um Menschen.

Stirbt eine Katze im normalen Verlauf ihres Lebens, trauert die ganze Hausgemeinschaft. Die Trauer folgt strengen Ritualen; man rasiert sich die Augenbrauen, wehklagt, schlägt sich auf die Brust und zeigt andere äussere Zeichen der Gram über den Verlust des geliebten Tieres. Der Körper der toten Katze wird sorgfältig in Leinen gewickelt und zum Priester gebracht, der überprüft, ob sie eines natürlichen Todes gestorben ist. Dann fertigt der Einbalsamierer aus ihr eine Katzenmumie an.


In Ägypten gab es weit mehr Katzen- als Menschenmumien: alleine in den Ausgrabungen von Beni-Hassan wurden davon mehr als 300000 gefunden.

Die Mythologisierung der Katze beruht nicht nur auf ihrer Fähigkeit, die Nager zu vertilgen. Bald beginnen die Menschen zu glauben, dass die Katzen einen direkten Einfluss auf Gesundheit, Ehe, Vermögen und andere katzenferne Aspekte ihres Lebens besitzen und werden durch die Priester in ihrem Aberglauben noch unterstützt. Die Göttin des Lebens und der Familie ist Bastet, die einen Frauenkörper mit einem Katzenkopf besitzt. In Abbildungen trägt Bastet in ihrer linken Hand oft das Amulett des allsehenden Auges, das utchat, dem magische Kräfte zugesprochen werden.

Das utchat ist in der Gesellschaft allgegenwärtig als Dekoration, in Schreinen, als Schmuck usw. Es wird oft als Katzenauge abgebildet, manchmal sogar mit Katzen innerhalb des Auges. Ein utchat an der Türe richtet sein wachsames Auge auf Diebe und Herumstreicher und beschützt das Heim. Ein Auge am Balken hält sein wachsames Auge über alle, die sich in diesem Haus aufhalten und bewahrt sie vor Krankheit und Unfall. Ein um den Hals getragenes Amulett hält sein wachsames Auge auf die Strasse und schützt die Reisenden vor Gefahr. Ein Amulett, das eine Katzenmutter mit ihren Jungen darstellt, wird dem frischvermählten Paar als Geschenk überreicht, damit es viele Kinder haben wird. Die Bedeutungen der Amulette sind so zahlreich wie ihre Hersteller.


Die Katze verbreitet sich

Eine heilige Katze aus Ägypten auszuführen wird mit Diebstahl am Pharao gleichgesetzt und daher mit dem Tode bestraft. So treten die Hauskatzen erst nach einer Weile ausserhalb Ägyptens im Nahen Osten auf.

Eine Ausnahme stellen die Schiffskatzen dar. Seefahrer sind schon immer praktische Leute gewesen. Auch die Schiffer auf dem Nil halten sich Katzen als Mäuse- und Rattenvertilger. In der Nilmündung betreiben sie Handel mit den Phöniziern und anderen Kaufleuten, und manchmal wechselt eine Katze ihren Besitzer, vielleicht auch mal trächtig oder mit Jungen. So verbreitet sich die Katze langsam über den Seeweg im Mittelmeerraum, und später auf dem Landweg durch Handelskarawanen nach Norden und Osten.

Zum selben Zweck wie die Seefahrer halten sich auch die Karawanenführer, die die Wüste zwischen dem Nil und dem roten Meer überqueren, Katzen. Und so finden die Pelztiere den Weg zu den Indischen Kaufleuten. Diese bringen sie nach Indien, wo sie bis Burma und Siam im Osten und nach China im Norden gehandelt werden.


Offenbar hatte sich im Tal des Hindus ebenfalls eine Domestikation der dort ansässigen Wildkatze abgespielt; vielleicht unter ähnlichen Umständen, aber ohne den göttlichen Aspekt. Die direkten Abkömmlinge der afrikanischen Falbkatze, felis silvestris, vermischen sich mit den dortigen domestizierten Katzen, und der Unterschied zwischen den beiden Katzentypen schmilzt dahin.

Die westliche Welt hat jetzt Hauskatzen, Strassenkatzen, Arbeitskatzen oder einfach ganz gewöhnliche Katzen. Durch den Handel nach China und Indien verbreitet sich die Katze im Rest der bekannten Welt. Die Katze kommt jetzt überall vor.

Was hat das Wort Pussycat mit Ägypten zu tun ?

Das Wort für Katze in Altägyptisch heisst mau oder miau (englisch meow), das universelle Katzenwort. Als die domestizierten Katzen Ägypten verliessen, war das utchat ganz katzenorientiert, oft in Form einer Katze und unwiderruflich katzenbezogen. Vom Wort utchat haben wir die Mehrheit der indo-germanischen Wörter für die Katze: cat, chat, cattus, gatus, gatous, gato, katt, katte, katze, kitte, kitty etc.

Aus Bastet wurde im späteren Ägypten unter der Herrschaft der ptolämäischen Könige Pasht. Davon lassen sich die indo-europäischen Namen für die Katze ableiten: Pasht, past, pushed, pusst, puss, pussy (und Schweizerdeutsch: Busi oder Büsi ) etc.

Der Anfang vom Ende

Das waren die goldenen Jahre in der Geschichte der Katzenheit. Jeder wollte sich mindestens eine Katze als Mäusefängerin halten. Die Katzen verbreiteten sich über die Städte und Dörfer, und wurden zum wichtigen Bestandteil des Lebens jedermanns. Das war ihr Untergang.


Folge 4

Teuflische Katzen

Katzen, zuerst vergöttert…

Die Eigenschaft der Katzen, Mäuse zu fressen, machte sie bei den Bauern, Händlern und Hausbesitzern beliebt. Die Eigenschaft, sich stark zu vermehren, machte sie überall bekannt. Und die Eigenschaft, Dinge auf eine ganz eigene Weise zu tun, machte sie für alle mysteriös.

Schon bald waren die Samtpfotigen Bestandteil alltäglicher, später religiöser Rituale, und Zentrum verschiedener Katzenkulte. Katzen wurden erneut verehrt und angebetet, aber nicht im selben Mass wie in Ägypten und sicher nicht von allen.

… dann verteufelt…

Bei den Europäern kann man im frühen Mittelalter die nordische Gottheit Freya am ehesten mit einer Katzengottheit vergleichen. Sie besitzt zwei enorme Katzen, die ihren Wagen ziehen. Und weitere Katzen leisten ihr stets Gesellschaft. Freyas Verehrung beinhaltet viele katzenbezogene Rituale. Der Tag ihrer Anbetung heisst Freyatag – Freitag.

Als das Christentum den heidnischen Glauben besiegt und damit auch der Anbetung Freyas ein Ende setzt, wird aus Freya ein Dämon, aus dem Freitag der Schwarze Sabbath, und die Katze zur Manifestation des Teuflischen.

So beginnt ein Tiefpunkt in der Geschichte der Katzen: eine mehr als tausendjährige Verfolgung der Samtpfötigen; eine Art feline Inquisition. In dieser Zeit werden Hunderttausende von Katzen gefoltert, gehängt, auf dem Scheiterhaufen verbrannt, im Feuer geröstet und, kaum in Sichtweite, getötet. Die Katzenverfolgung nimmt solche Dimensionen an, dass ihre Population auf weniger als zehn Prozent ihrer bisherigen Zahl dahinschwindet, und das, obwohl sich Katzen stark vermehren können.

…und gehasst wie die Pest .

Eine kurze Veschnaufpause ist unseren bepelzten Freunden in den Jahren des schwarzen Todes beschieden. Während die von Rattenflöhen übertragene Pest in Europa wütet und die Bevölkerung dezimiert, wächst die Zahl der Katzen wieder an. Denn jetzt verspürt keiner mehr Lust und Kraft, die teuflischen Pelztiere zu verfolgen. Die Länder der Umgebung werden nicht mehr bebaut, da sich die wenigen Überlebenden in die Städte zurückziehen. Die Felder verkommen; bald ist nicht mehr genug Korn für die Ratten übrig. Sie folgen den Menschen in die Städte. Da sie auch Aas und Abfälle fressen, geht es ihnen prächtig. Aber bald wird selbst für die Ratten die Nahrung knapp. Nur die Katzen können sich nicht über Nahrungsmangel beklagen und stürzen sich auf die todbringenden Nager.

Offensichtlich verschwindet die Seuche durch drei sich gegenseitig beeinflussende Faktoren: – es sterben so viele Menschen, dass die Felder nicht mehr bearbeitet werden können; – die Ratten sammeln sich alle in den Städten an; – plötzlich sind die rattentötenden Katzen wieder mächtig.

Dankbar wie die Menschen nun mal sind, „belohnen“ sie die Arbeit der Katze, indem sie die feline Inquisition weiterführen. Dieser Wahn endet erst im 20.Jahrhundert, als die verschiedenen christlichen Kirchen endlich aufhören, Hexen und ihre Familienangehörigen, meist Katzen, anzuklagen und zu verurteilen.

Im finsteren Mittelalter

Selbst in den dunkelsten Jahren der Katzenverfolgung gibt es Leute, die ihre Katze liebkosen und hätscheln. Die Anzahl Katzen, die von den grossen Meistern in Bildern festgehalten werden, beweist, dass ihr Platz in der Gesellschaft nie ganz verlassen war. Von einem praktischen Gesichtswinkel aus betrachtet ist es fast unmöglich, einen Müller davon überzeugen zu wollen, dass seine geliebte Mäuse- und Rattenjägerin, die sein Korn bewacht, jetzt plötzlich eine Manifestation des Teufels sei. Er wird es einfach nicht glauben. Er sieht nur das Gute, das die Katze tut, aber das angeblich Teuflische bleibt ihm verborgen. Und die Katze selbst ? Die kümmert ich weder um Gott noch um Teufel und fängt weiterhin Ratten und Mäuse.

Bist doch und bleibst ein hexin alt, voll katzenglauben mit gewalt…

Und mit diesem alten Spruch wären wir bei den Hexen. Das Leben in der kirchenorientierten Gesellschaft des Mittelalters ist hart. Nur wenige Leute leben länger als 40 oder 50 Jahre, und wenn sie es tun, sehen viel älter aus, als sie es in Wirklichkeit sind. Hygiene und Medizin sind noch in den Anfängen, und das Leben dreht sich um verschiedene Hautprobleme, Verlust der Zähne, Steifheit, krumme Rücken, Arthritis, Rheuma, Lumbago, und noch eine Menge anderer Gebrechen. Ein alter Mann oder eine alte Frau strahlen nicht mehr so hübsch und frisch wie in ihrer Jugend. In einer männerorientierten Gesellschaft wird ein alter Mann wegen seiner vielen gemachten Erfahrungen oft geschätzt, aber eine alte Frau ist bloss ein nutzloses Ding. Sie kann keine Kinder mehr zur Welt bringen, Holz schleppen, das Feld bearbeiten oder andere kleine Nebensächlichkeiten des alltäglichen Lebens verrichten. Und zu dieser Nutzlosigkeit kommt noch die Tatsache, dass eine Alte den ganzen Tag vor ihrer armseligen Hütte sitzt, Selbstgespräche führt und die Katze streichelt, während sonst alle tagsüber bei der Arbeit sind.

Und jetzt kommt einer daher, der das Anwesen der Alten verpestet (sanitäre Anlagen waren unbekannt). Diese murmelt böse Verwünschungen und verflucht ihn, die Katze auf ihrer Schoss liebkosend. Am folgenden Tag stürzt dieser über einen Stuhl und bricht sich den Arm. Als gottesfürchtiger Mann denkt er, dass nur der Teufel ihn mit einem Armbruch bestraft haben konnte. Also musste es die Alte gewesen sein, die ihm ein böses Auge zugeworfen hat- genau, sie muss ein Teufel sein und die Katze sein Diener. Manch unschuldige Alte und ihre unschuldige Katze mussten ihr Leben wegen solch wagen Anschuldigungen lassen . In der Zeit von 1550 bis 1750 wurden schätzungsweise zwischen „nur“ 200000 und 3 Millionen Frauen lebend verbrannt und mit ihnen noch viel mehr Katzen.


Wunderbare Katzen

Auf hoher See

Katzen und Seeleute verbindet ein spezielles und dauerhaftes Band, das bis in die Zeit der Pharaonen zurückreicht. Als praktische Menschen halten sich die Seeleute gewöhnlich Katzen an Bord. Die Schiffskatze ist ein respektiertes und wichtiges Mitglied der Mannschaft, dem die Rattenkontrolle obliegt und das nicht verzärtelt wird. Ihretwegen haben sogar Meutereien stattgefunden, wenn der Kapitän sie getreten hat. Da die Seereisen Wochen, Monate oder sogar Jahre in Anspruch nehmen, sehen die Matrosen selten einen Priester oder Vorgesetzten, und so entwickeln sie ihre eigene Version von Glaube. Gotteslästerung, Katzen und Sex wurden als Nebensächlichkeit betrachtet und nicht wie beim katholischen Glauben ausgeschlossen. Trotz der kirchlichen Vorschrift, Katzen zu meiden, behaupteten sich die bepelzten Wesen auf See und verbreiteten sich in allen Seehäfen der Erde.

Im fernen Osten

Im fernen Osten kommt die Katze auf zwei Wegen an, nämlich über die Überlandhandelsrouten und über den Seeweg, und sie wird augenblicklich geschätzt wegen ihrer Anti-Ratten-Qualität. Sie wird aber ebenfalls wegen ihres Nährwertes geschätzt (Moo-goo-gai-kitty mit gebratenem Reis!). Das ist ein gemischter Segen für die Samtpfötige. Einerseits kann sie sich jetzt ungehindert vermehren und wird in der Produktion ihres Nachwuchses sogar gefördert, anderseits muss sie sich plötzlich mit dem Menschen als Katzenesser abfinden. Dieser züchtet die Katzen nicht nur uneigennützig, und manches Jungtier ist nicht als Mäusevertilgerin betimmt, sondern wird selber aufgegessen. Die Katze breitet sich in der ganzen Welt aus und ihre Erscheinung erlangt unter dem beabsichtigten und unbeabsichtigten Einfluss des Menschen eine grosse Vielfalt, möglicherweise auch durch Hineinzüchten von lokalen Wildkatzen bedingt.

Aberglaube

In manchen Regionen, fern vom Einfluss der Kirchen, besitzt die Katze religiöse und mystische Bedeutung. Wegen ihrer Fähigkeit, Katastrophen zu überleben, werden der Katze oft neun Leben nachgesagt – 9 ist eine mystische Zahl, die Verdreifachung der Dreieinigkeit – , und sie wird mit Glück in Verbindung gebracht.

Die Japaner haben die MIKE, eine Dreifärber (diese Katzen sind immer weiblich), oder Glückskatze. Statuen von Glückskatzen kann man in ganz Japan sehen. Die Briten besitzen den Aberglauben, dass das Glück folgen wird, wenn eine Katze, im Speziellen eine schwarze, ihren Weg kreuzt.

Unser eigener Aberglaube betreffend schwarze Katzen kommt aus der Zeit der Hexenverfolgungen, wo manch arme Katze zusammen mit ihrer Herrin aufgehängt wurde. Deshalb sagt man der Katze nach, dass sie Unglück bringe. Zusammen mit dem britischen Aberglauben wird aus einer schwarzen Katze, die Glück bringt, ein Unglücksbote.

Asien

In Asien werden die Katzen oft in den Tempeln zur Mäusekontrolle gehalten, damit diese nicht die Schriftrollen der Gläubigen anknabbern, und manch eine Katze wird halbmystisch.

Die Tibetischen Lamas verehren die Katze wegen ihrer Geduld. In Siam, dem heutigen Thailand, züchten die Priester geweihte Tempelkatzen, ähnlich den heutigen Siamesen, aber mit einem runderen Kopf, gedrungenerem Körper und einem Knick im Schwanz. Dieser Knick hat eine religiöse Bedeutung in den Tempeln, wird aber auch ausserhalb gezüchtet.

In Burma ist die heilige Tempelkatze langhaarig, mit weissen Pfoten, aber ohne Knick im Schwanz – die heutige Birmakatze.


Ursprüngliche Katzen

Von all den geläufigen Katzenrassen können zwei den meisten Anspruch auf Ursprünglichkeit erheben: Die ägyptische Mau und die Abessinier. Beide haben die Körperstruktur, den keilförmigen Kopf und die ausdrucksvollen Gesichtszüge einer afrikanischen Wildkatze. (Der neueste Trend bei der Abessinierzucht sind kleinwüchsige Katzen, was aber ihre Ähnlichkeit mit Wildkatzen nicht vermindert). Ebenfalls haben beide Rassen im Vergleich zu anderen Rassekatzen eine relativ primitive Fellstruktur, und beide kommen auch freilebend vor.


Die ägyptische Mau ist eine getupfte Tigerkatze, mit langen Beinen. Die Hinterbeine sind leicht länger, wodurch eine schiefe Stellung entsteht, was die Katze sehr schnell macht. Sie sieht der Afrikanischen Wildkatze sehr ähnlich, mit Flecken statt Streifen.

Die Abessinier hat ein gesprenkeltes hasenähnliches Fell mit einem sehr wild aussehenden Gesicht, und erinnert stark an die Katzen, die in Tempeln abgebildet sind.

Wahrscheinlich war die ursprüngliche Katze eine schwach getigerte afrikanische Wildkatze, so wie man sie heute noch am Rand der Wüsten entdecken kann. Daraus entstanden durch Zucht andere Färbungen und Musterungen wie breitgetigert, gefleckt, gesprenkelt.

Fast mit Gewissheit kann angenommen werden, dass die Katze an verschiedenen Orten der Welt unabhängig voneinander domestiziert wurde. Unsere heutigen Katzen sind auf eine Zusammenstellung der Varianten von den ursprünglichen Katzen zurückzuführen.


*) Originaltitel:THE CAT IN HISTORY. Ãœbersetzt durch Katja Zuniga. August/September 1996.


Wir wollen diesen Artikel den Besuchern unserer Seiten zugänglich machen, weil wir ihn interessant und unterhaltend finden. Ob er wissenschaftlichen Kriterien zu genügen vermag, lassen wir dahingestellt.

copyright der Übersetzung: © Stiftung Pro Büsi, 1996.

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